„Manche Menschen gehen in meinem Alter in den Ruhestand. Ich hänge meinen CEO-Posten an den Nagel und übernehme ein '120-jähriges Start-Up'." Mit diesen Zeilen verkündete Reiner Eckhardt Anfang September seine Übernahme der Duisburger Caramba Chemie, deren Chef in Diensten der Berner Gruppe er zuvor schon war. Vom angestellten Manager zum Unternehmer: Was hat ihn angetrieben? Wie sind die Verhandlungen mit Berner gelaufen? Was hat seine Frau gesagt? Was sind seine Ziele? Darüber haben wir mit ihm im Oktober bei #WiDUafterWork von #WirtschaftfürDuisburg live gesprochen.

[uv]magazin: Herr Eckhardt, Sie sind mit 62 Jahren Unternehmer geworden. Warum?

Reiner Eckhardt:Ich bin ein Boomer, voll und ganz. Diese Generation hat eines gemeinsam – und davon profitieren wir: Wir haben unser Leben lang immer daran geglaubt, dass die Zukunft besser wird. Egal, ob wir in Brokdorf gegen AKWs demonstriert haben, oder ob wir in den späten 90ern alle die Aktien und den neuen Markt geliebt haben – wir haben zu jeder Zeit blind darauf vertraut, dass es besser wird als gerade eben. Ich glaube, dieser tief liegende Optimismus, der Glaube an das Weiter hat mich zu jeder Zeit meines Lebens beflügelt. Und dann gab es halt diese Gelegenheit.

[uv]magazin: Die da war…

Reiner Eckhardt: …Ende 2023 war die Berner Gruppe bereit, sich vom Caramba-Markengeschäft zu trennen. Ich hatte zuvor einen Vorschlag gemacht. Dann kam Berner mit einem Gegenvorschlag. Und daraus wurde dann ein Letter of Intent; und daraus nach rund zwölf Monaten ein Verkauf des gesamten Markengeschäfts.

[uv]magazin: Sie kannten Caramba als CEO natürlich sehr gut. Warum wollte sich Berner trennen?

Reiner Eckhardt: Das Unternehmen hatte zehn ambivalente Jahre hinter sich. Es fehlte der Fokus und es gab zu viele halbherzige Ideen und Projekte. Als ich 2021 zum CEO der Gruppe berufen wurde, standen zunächst umfangreiche Restrukturierungsmaßnahmen an und die Findung einer neuen, langfristigen Strategie. Die globalen Verwerfungen 2022 und 2023, gefolgt von Energiekrise und Versorgungskrise, haben auch die Caramba vor erhebliche Herausforderungen gestellt, aus denen wir aber gut herausgekommen sind. 2023 stimmten dann auch die Zahlen wieder, aber der Fokus fehlte immer noch. Daraus entstand die Idee, die Marke von der Produktion zu trennen, zudem Berner sich selbst nun als Marke positioniert – das passte nicht zusammen. Also der Schnitt: Um die Marke Caramba kümmere ich mich nun und Berner um das Private-Label-Geschäft, also die Belieferung von Handelsmarken.

 

„Manche Menschen gehen in meinem Alter in den Ruhestand. Ich hänge meinen CEO-Posten an den Nagel und übernehme ein '120-jähriges Start-Up'."

Rainer Eckhardt, Geschäftsführender Gesellschafter Caramba

[uv]magazin: Was können Sie mit der Marke Caramba besser als die Berner Group?

Reiner Eckhardt: Wir können unsere Positionierung und damit auch unseren Kern des Geschäfts so definieren, dass dies für uns passt. Wir brauchen keine Konzernrichtlinien, wir brauchen kein Berichtswesen. Wir sind schnell, agil und sehr wendig. Dafür haben wir auf der anderen Seite natürlich weniger Feuerkraft, aber das kompensieren wir klug und einfallsreich.

[uv]magazin: Was sind die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele?

Reiner Eckhardt: Die beiden ersten Jahre sind klar definiert: Wir fokussieren uns zu 100 Prozent auf bestehende Kunden in bestehenden Märkten mit weitestgehend existierenden Produkten. Dann geht es in die Internationalisierung und schnelle Produkt-Portfolio-Expansion.

[uv]magazin: Auch wenn man sich lange kennt: Verschenkt haben die Berners sicher nichts, oder?

Reiner Eckhardt: Nein, es waren intensive und teilweise harte Verhandlungen – aber wir hatten immer das Ziel des Deals vor uns. Natürlich sind viele Bedingungen intensiv verhandelt worden. Ein MBO ist aber meist auch eine kostengünstigere und schnellere Variante für alle – man kennt sich und das Unternehmen und die Partner, die am Tisch sitzen. Der Preis und die Konditionen sind fair und angemessen für alle.

[uv]magazin: Gehen Sie volles Risiko inklusive privater Sicherheiten? Oder haben Sie die Finanzierung mit Partnern im Hintergrund gestemmt?

Reiner Eckhardt: Beides! Ich gehe ein erhebliches Risiko ein. Bislang war ich angestellter CEO und hätte sicher noch einige Jahre so weiter arbeiten können. Ich selbst und meine Arbeitskraft sind meine Assets, zusätzlich haben wir erheblich Eigenkapital eingebracht zwei langfristige Finanzierungen zu sehr guten Konditionen. In der Konsequenz sind wir in einer gesicherten finanziellen Position, bis wir selbst genug Geld verdienen.

[uv]magazin: Was hat denn Ihre Frau zu Ihrem Vorhaben gesagt?

Reiner Eckhardt: Die war immer zu 100 Prozent an meiner Seite und hat mich unterstützt – viel mehr, als ich hoffen durfte. Ich bin da total dankbar. Ohne sie wäre weder der Deal noch die Arbeit heute möglich, wir haben ja auch fünfjährige Zwillinge. Sie hält mir den Rücken frei und stärkt mich gleichzeitig.

[uv]magazin: Sie sind jetzt 62 Jahre alt – wie lang wollen Sie Caramba operativ leiten? Haben Sie die Nachfolgethematik direkt mitgedacht?

Reiner Eckhardt: Wir haben bereits heute einen Plan für 2030/31. Da werde ich siebzig und denke, dann kann ich operativ die Verantwortung abgeben. Im Unternehmen sind heute zwei weitere Führungskräfte, die beide gemeinsam das Potenzial haben, meine Nachfolge anzutreten. Mir war wichtig: Alle, die mit uns dieses Jahr gestartet sind, sind von Tag eins an am späteren Unternehmenswert und Erfolg beteiligt.

[uv]magazin: Mit der Deal-Erfahrung im Hintergrund – was wünschen Sie sich als Entrepreneur von Stadt, Land und Bund?

Reiner Eckhardt: Ach, über die deutsche Wirtschaftspolitik und Bürokratie könnte ich tagelang erzählen…leider keine guten Geschichten. Am Ende ist es immer die nicht stattfindende Abstimmung zwischen verschiedenen Abteilungen und Ämtern, egal auf welcher Ebene. Jede Behörde braucht alles in eigenen Formularen. Jeder denkt nur für seinen Bereich, niemand hat das Ganze im Blick. Als Gründer braucht man aber Orientierung und am besten einen Partner, der einen durch die verschiedenen Zuständigkeiten, Anforderungen und Fallstricke lotst. So eine Art Servicestelle, bei der man sich meldet und die dann per digitalem Leitfaden oder Checkliste alles aus einer Hand anbietet. In anderen Ländern gibt es das. Aber so denkt man in deutschen Amtsstuben leider nicht. 

Immerhin: Die Duisburger Kfz-Meldestelle hat innerhalb von Minuten sehr konstruktiv reagiert, das war klasse. Als (junges) Unternehmen in Deutschland stößt man häufig auf Herausforderungen durch die Bürokratie und die vielen unterschiedlichen Regelungen. Besonders das Fehlen einheitlicher Standards, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene, verkompliziert vieles. Die unterschiedlichen Vorschriften in den Regionen führen oft zu Verzögerungen und zusätzlichen Kosten – Dinge, die junge Unternehmen sich eigentlich nicht leisten können. Auch die schleppende Digitalisierung der Verwaltung bremst viele Prozesse aus. Während anderswo digitale Behördengänge längst Standard sind, kämpfen wir hier noch oft mit Papierformularen. Ich musste tatsächlich noch einen Stempel bestellen. Das alles kostet unnötig Zeit, die besser in Wachstum und Innovation fließen könnte. Es braucht klare Lösungen: digitale Verfahren, weniger Bürokratie und vor allem einfachere, einheitliche Regelungen. Das wäre ein großer Schritt nach vorn und würde Unternehmen den nötigen Raum geben, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – ihr Geschäft. Optimistisch bleiben wir dennoch, denn es muss vorangehen, und gemeinsam lässt sich sicher einiges bewegen.

Weitere Informationen zum Unternehmen:

www.caramba.eu

Kontakt zum Autor:

Christian Kleff

Geschäftsführer Kommunikation
Geschäftsführer #WirtschaftfürDuisburg