Das Herz von Maschinenbau-Unternehmen schlägt in der Konstruktion: Hier entstehen Schritt für Schritt die kundenspezifischen Fertigungszeichnungen. Sie sind nicht nur Grundlage für Arbeitsvorbereitung, Einkauf bzw. Herstellung von Einzelteilen, Produktion, Montage usw. In ihnen stecken vor allem das Wissen und die Erfahrung des gesamten Teams, sozusagen der einzigartige Kern eines jeden Unternehmens. Bei der Spaleck Oberflächentechnik GmbH & Co. KG in Bocholt haben die Konstrukteure über die Jahre 160.000 solcher Zeichnungen erstellt. „Das ist ein riesiger Datenschatz, zugleich aber auch ein riesiger Datenwust. Dieser muss einheitlich und eindeutig benannt, wiederauffindbar, wiederverwendbar und im Versionen-Verlauf nachvollziehbar sein“, beschreibt Geschäftsführer Alwin Keiten-Schmitz die komplizierte Ausgangslage. Sein Auftrag an IT-Leiter Mathieu Geuting lautete deshalb: Integration eines Produktdaten-Managements, kurz: PDM, ins ERP, also in das Warenwirtschaftssystem.
Digitalisierung also ganz konkret – aber auch mit allen Höhen und Tiefen einer solchen Mammutaufgabe, „die länger und komplizierter als gedacht war“, wie Geuting rückblickend feststellt. Im übertragenen Sinne kann man sich das ein bisschen so vorstellen, als transplantiere man ein Herz, das vorher als Insellösung getrennt vom Rest des Körpers geschlagen hat. Zwei DIN A4-Seiten kurz sei früher die Beschreibung gewesen, wie Zeichnungen digital zu verwalten sind, erzählt Geuting. Das neue PDM-Heft ist 25 Seiten lang, „wobei es das nicht komplizierter macht, sondern genau das Gegenteil: Jedes Entwicklungs-Artefakt hat jetzt einen Single Point of Truth, ein gültiges Dokument, einen Ursprung, einen Status, einen Ablageort.“ Herausforderung sei vorab gewesen, die Begrifflichkeiten zu definieren: Dokument, Datei, Teil, Produkt… Was genau meint was? Durch ein „Tal der Tränen“ hätte das Team gehen müssen, weil vor dem Import die Daten bereinigt werden mussten: Widersprüche und Inkonsistenzen mussten aufgehoben, persönliche Arbeitsstile vereinheitlicht werden. „Hier galt es für alle, große Veränderungsbereitschaft zu zeigen, auf dem arbeitsintensiven Weg motiviert zu bleiben“, beschreibt Keiten-Schmitz die Stimmung im Team, das die Aufgabe am Ende mit großem Spirit gemeinsam bewältigte.
Die Vorteile im integrierten System sind offenkundig: Arbeit wird gespart, Fehler vermieden und Erfahrungen abgebildet, weil sich die Systeme ja sozusagen miteinander unterhalten. „Für jeden Klotz, jeden Arm, jedes Bauteil sind im ERP Daten wie Gewicht und Werkstoff hinterlegt, da kann man nix mehr falsch abschreiben. Zudem leiten sich Stücklisten jetzt automatisch im PDM ab, sodass man sie nicht mehr aufwändig händisch anlegen muss“, erläutert Geuting. Keiten-Schmitz freut sich, dass sich so vor allem neue Beschäftigte leichter einarbeiten. Wie z. B. Produktmanager Fabian Mölders, der vor rund drei Jahren ins Unternehmen kam: „Durch das PDM sind die Verknüpfungen von CAD-Teilen und Stücklisten übersichtlich dargestellt. Das hat mir von Anfang an geholfen, die vorhandenen Datenstrukturen besser zu verstehen.“
Die digitale Transformation schlägt im nächsten Schritt jetzt auf die Produktion durch, schaut Geuting voraus: Jeder Monteur erhält an seinem Wagen ein Tablet, um Zugriff auf alle Daten zu haben. „So haben die Monteure auch immer die aktuellen, richtigen und freigegebenen Versionen der Zeichnungen zur Hand. Die Begeisterung für die neue Technik und die damit verbundene größere Eigenverantwortung ist groß. Viele Papier-Ausdrucke und Wege in die technischen Büros entfallen jetzt“, so Herbert Hoffrichter, Leiter der Konstruktion.
„In der VR- und AR-Technologie steckt echt Musik“, schaut Keiten-Schmitz voraus: Die Brille soll zum festen Begleiter in Service und Instandhaltung werden, „allerdings stehen wir hier erst am Beginn des Weges“. Predictive Maintenance gelingt auch durch eine parallele Transformation, Stichwort: Sensoren. Video-Kameras „schauen“ in die Arbeitsbehälter, da die Anlagen aus Sicherheitsgründen häufig komplett umhaust sind, parallel erfassen Sensoren die Füllstände. „Hier arbeiten wir auch eng mit der Westfälischen Hochschule zusammen, z. B. über studentische Projekte, Semester- oder Bachelorarbeiten“, berichtet Keiten-Schmitz. „So haben wir schon viele Fachkräfte kennengelernt und für uns gewonnen – übrigens auch einen Wirtschaftsinformatiker für unser neues PDM.“ Guten Nutzen hätte zudem ein gefördertes Forschungsprojekt gebracht, bei dem es um eine flexible und Demografie-robuste Montage-Organisation ging. Mit etablierten Partnern wie Miele und Flender habe man über drei Jahre Methoden und Modelle entwickelt, um Monteure nicht nur körperlich zu entlasten, sondern auch digital fit zu machen.
Infos zum Unternehmen
› www.spaleck.biz
Kontakt zur Autorin
Jennifer Middelkamp
Pressesprecherin
Regionalgeschäftsführung Kreise Borken | Kleve