Wir alle leiden mehr oder weniger unter einem angespannten Arbeitsmarkt. Viele Arbeitgeber versuchen das Problem auf die traditionelle Art und Weise mit Post & Pray zu lösen. Das bedeutet, sie veröffentlichen eine Stellenanzeige und hoffen, dass sich geeignete KandidatInnen auf die Stelle bewerben. Alternativ rufen sie verzweifelt den nächstbesten Headhunter an, in der Hoffnung, dass dieser mehr Ideen hat als man selbst, um geeignete KandidatInnen zu finden. Beides kann natürlich funktionieren. Die Realität vieler Unternehmen sieht allerdings aus. Daher kommen hier vier wirkungsvolle Tipps, wie Unternehmen sich gegen den Arbeitskräftemangel aufstellen können. 

Tipp 1: Fokussieren Sie sich nicht auf Personalgewinnung

Klingt verrückt, ist aber so! Wenn Sie sich darauf konzentrieren, dass bestehende MitarbeiterInnen bei Ihnen bleiben – und zwar gerne – dann führt das zum einen zu einer längeren Bindung und zu einer höheren Performance. Außerdem brauchen Sie dann nicht so viele Löcher stopfen. Identifizieren Sie Treiber, warum sie gerne bei Ihnen arbeiten und bauen diese weiter aus. Vergessen Sie aber nicht nachzufragen, was ihnen fehlt und verbessern Sie die Dinge, die bis dato kritisiert werden oder die sogar zu einem Wechsel führen. Bevor Sie sich also darum kümmern neues Personal einzustellen, sollten Sie sich vor allem darauf fokussieren, offene Baustellen zu schließen und verhindern, dass gute oder bessere MitarbeiterInnen ihr Unternehmen verlassen.

Tipp 2: Lassen Sie sich nicht auf ein Wettbieten ein

Unabhängig von der Inflation erhöhen viele Unternehmen die Gehälter für Neueinstellungen. Das allein bringt Sie allerdings nicht weiter. Warum nicht? Erstens, weil Ihre Wettbewerber das auch tun. MitarbeiterInnen, die Sie vor allem wegen besserer Konditionen gewinnen, werden Sie vermutlich nicht dauerhaft halten können (was ohnehin kaum möglich ist). Wenn es das nächste Mal auf dem Arbeitsmarkt zu Engpässen kommt, werden sie vermutlich die Ersten sein, die sich wieder für ein höheres Gehalt und weniger für die Inhalte entscheiden. Das Gehalt, das Sie anbieten, beschränkt sich ohnehin nur auf die Arbeitsleistung selbst und nicht etwa auf die dauerhafte Loyalität.

Zweitens werden sich auch die derzeitigen KollegInnen darüber ärgern, dass die Neuzugänge mehr verdienen als sie selbst. Und das, obwohl sie im Zweifel dort schon viel länger tätig sind. Im Ergebnis führt dies zu einer einseitigen Gehaltsstruktur und einer komplizierten nächsten Bewertungsrunde. Jeder wird unabhängig von seiner Leistung eine Gehaltserhöhung fordern, die dieser Entwicklung Rechnung trägt. Neueinstellungen sollten daher unbedingt in die aktuelle Gehaltsstruktur passen. Auf diese Weise wissen auch neue MitarbeiterInnen, dass Sie allen, die bereits für das Unternehmen arbeiten, gegenüber fair sind.

Neueinstellungen sollten daher unbedingt in die aktuelle Gehaltsstruktur passen. Auf diese Weise wissen auch neue MitarbeiterInnen, dass Sie allen, die bereits für das Unternehmen arbeiten, gegenüber fair sind.

Marcel Rütten, HR4Good

Der HR-Experte Marcel Rütten organisiert für den 3. Mai 2024 die zweite Auflage der Recruiting-Konferenz „Schicht im Schacht“, für die bald Tickets verfügbar sind.

Was Sie jedoch tun können, ist, diesen Moment zu nutzen, um einen kritischen Blick auf Ihre bisherige Gehaltsstruktur zu werfen. Wenn Sie eine Anpassung vornehmen wollen, fangen Sie zunächst mit den Gehältern des vorhandenen Personals an. Nur dann werden Ihre Entscheidungen Sie nicht später wieder einholen.

Tipp 3: Investieren Sie in Mitarbeiterempfehlungen

Reichweite kostet Geld – vor allem dann, wenn Ihr Unternehmen kaum einer kennt. Was liegt da näher als bestehende Netzwerke zu nutzen und ohne großes Werbebudget auf sich aufmerksam machen zu können? Ihre derzeitigen MitarbeiterInnen verfügen ohne Zweifel über ein großes Netzwerk – und genau das sollten Sie nutzen. Gerade in diesen Zeiten ist diese Quelle eine der wesentlichen Lösungen gegen den Arbeitskräftemangel.

Wie funktioniert das aber genau? Das Prinzip ist relativ simpel. Sobald Sie eine zu besetzende Stelle ausgeschrieben haben, bitten Sie Ihr KollegInnen um Mithilfe, indem sie die Stellenausschreibung entweder in den sozialen Medien teilen oder aber jemanden direkt auf diese Stelle empfehlen. Sobald sich jemand über diesen Kanal auf die Stelle bewirbt oder sogar eingestellt wird, sollten empfehlende MitarbeiterInnen eine Belohnung erhalten. Das könnte entweder ein monetärer Betrag sein, zusätzliche Urlaubstage, gebrandete Produkte Ihres Unternehmens oder aber spezielle Events. Die Auswahl der Benefits sollte auf jeden Fall zu Ihrer Kultur passen.

Aber egal ob Geld oder eine andere Belohnung: Die Einstellung über eine Empfehlung wird auf jeden Fall günstiger sein, als über viele andere externe Kanäle und vor allem günstiger als die Stelle gar unbesetzt zu lassen. Hinzu kommt, dass die durchschnittliche Qualität von KandidatInnen immer besser sein wird, weil der oder die Empfehlende sich im Nachhinein nicht für diese Person entschuldigen möchte und von daher bereits vorab ein Prescreening stattfindet.

Tipp 4: Bauen Sie langfristige und nachhaltige Talent Communities auf

Mit jeder Stelle, die Sie heute ausschreiben, verlieren Sie KandidatInnen von morgen. Denn eins ist doch klar. Sie werden nicht jeden glücklich machen können. Im Zweifel erzeugen Sie sogar eine negative Candidate Experience, wenn die Erwartungen von KandidatInnen an Ihrer Kommunikation oder den Prozessablauf nicht matchen. Im Ergebnis werden sie sich in Zukunft nicht erneut bei Ihrem Unternehmen bewerben. Es ist daher extrem wichtig, sich auch mit den KandidatInnen zu beschäftigen, die vielleicht noch nicht ins Profil passen und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt interessant werden könnten. Hierfür können Sie Talent Communities aufbauen, um mit speziellen Zielgruppen wie z.B. Silver Medalists, Empfehlungen, Initiativbewerbungen oder Alumni über einen längeren Zeitpunkt in Kontakt zu bleiben und sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut von einer Bewerbung überzeugen.

Info

Marcel Rütten ist seit über 15 Jahren im Personalmanagement tätig und als Global Talent Acquisition Lead, HR-Blogger, Autor, Podcaster und Speaker ein weithin bekannter HR- & Recruiting-Experte. In seinem Blog HR4Good schreibt er über Ideen, Innovationen und Trends im Personalmanagement und berät Unternehmen zu strategischen und operativen Recruitingfragen.

www.hr4good.de

Kontakt zur Autorin

Jennifer Middelkamp

Jennifer Middelkamp

Pressesprecherin
Regionalgeschäftsführung Kreise Borken | Kleve