Ein Vierteljahrhundert setzt sich der Unternehmerverband Soziale Dienste und Bildung für seine Mitglieder ein. Damals wie heute hat die Sozialwirtschaft große Herausforderungen zu meistern, „die Unternehmen müssen die Arbeitsbedingungen mit und ohne Tarifbindung im Spagat zwischen Refinanzierung und sozialem Auftrag gestalten“, sagt Geschäftsführerin Elisabeth Schulte.
Ursprung: Abkehr vom Vollkostenprinzip
Bei den sozialen Dienstleistern galt bis in die 1990er-Jahre hinein das „Vollkostenprinzip“: Die Kostenträger übernahmen sämtliche Kosten, eben auch die Personalkosten, die in der Sozialwirtschaft 70 Prozent und mehr der Ausgaben ausmachen. Als das der öffentlichen Hand zu teuer wurde, führte sie Pauschalen ein – und die hatten in der Höhe und Laufzeit nichts mit den ursprünglichen Tarifabschlüssen zu tun. „Somit ging die Schere zwischen Refinanzierung und Kosten immer mehr auseinander“, erläutert Verbandsgeschäftsführerin Elisabeth Schulte. Um unter diesen Rahmenbedingungen wettbewerbsfähig zu bleiben, gingen zehn Unternehmen auf den Unternehmerverband in Duisburg zu, der seine tarifpolitische Expertise in vielen Branchen unter Beweis gestellt hatte. Die Geburtsstunde des neuen Verbandes schlug dann exakt am 30. Dezember 1998, als diese zehn Dienstleister den „Unternehmerverband Soziale Dienstleistungen + Bildung e. V.“ ins Vereinsregister eintragen ließen.
Kerngeschäft Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen
In den vergangenen 25 Jahren ging es im Kern immer darum, die Mitgliedsfirmen arbeitsrechtlich zu beraten und vor Gericht zu vertreten sowie die Arbeitsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern zu gestalten. Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD) standen auf der Wunschliste der Gewerkschaft ver.di; hingegen schlanke und individuelle Lösungen auf der der Arbeitgeber, da sie in vollem Wettbewerb stehen. Elisabeth Schulte, die seit 2001 Geschäftsführerin des Verbandes ist, erinnert sich an harte Nüsse, die geknackt werden mussten: „Um den TVöD durchzudrücken, rief ver.di auch beispielsweise die Angestellten von KiTas für Kinder mit Behinderungen wochenlang zum Streik auf – eine schwierige Situation für Leitung und natürlich Eltern und Kinder.“ Mit langem Atem konnte am Ende ein betriebswirtschaftlich vertretbarer Abschluss erzielt werden. „Hier bewährt sich die Expertise des Verbandsteams aus Juristinnen und Juristen“, erläutert Schulte, die das Team als Volkswirtin unterstützt. Ein anderer Fall belegt eindrucksvoll, dass der Unternehmerverband Fehlentwicklungen bei Mitgliedern abmildern kann. Um einige hunderttausend Euro ging es, weil die Gewerkschaft Beschäftigte einer Behinderteneinrichtung, die noch nach BAT bezahlt wurden, in die Entgeltgruppen des TVöD einklagte. „Unser Verband hat die über 20 Einzelklagen abgewendet. Im Rahmen eines Vergleichs kam es letztlich nur zu geringfügigen Entgelterhöhungen, nicht aber zu völlig neuer Eingruppierung in den TVöD.“
Innovative Tariflösungen
Starre Tarifkorsette ablegen und dafür schlanke und flexible Lösungen schaffen – dies gelang unter anderem auch bei einem weiteren Meilenstein in der Verbandsgeschichte. Die neue Fachgruppe DV.DAH, Dienstgeberverband Diakonische Altenhilfe Hessen, schaffte es 2022, die Arbeitsvertragsrichtlinien der Evangelischen Kirche durch ein innovatives branchen- und kirchengemäßes Tarifwerk mit Vorbildcharakter für die Pflegebranche abzulösen. Jüngst bewährte es sich in einer ersten Entgeltrunde. Hier zeigt sich, dass Sozialpartnerschaft lebt und funktioniert. Bei allem Streit mit den Gewerkschaften: Wenn sich beide Seiten entgegenkommen, gelingen gute Lösungen. Heute ist der Unternehmerverband mit seiner Expertise wichtiger denn je. „Die Sozialwirtschaft steht unter Existenzdruck“, sagte Michael Reichelt in seiner Rede bei der Jubiläumsfeier des Verbandes im Oktober. Der Geschäftsführer der Lebenshilfe Duisburg ist seit zwei Jahren der Vorstandsvorsitzende des Unternehmerverbandes Soziale Dienste und Bildung. „Die Politik handelt paradox: Sie appelliert an die Träger sozialer Dienstleistungen, die Beschäftigten nach Tarifvertrag zu vergüten, weigert sich dann aber häufig, diese Tarifkosten auch vollständig zu refinanzieren. So bringt man eine Branche, die sowieso schon vom Fachkräftemangel gebeutelt und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland so wichtig ist, in schiere Existenznot. Wer bestellt, muss auch bezahlen!“ Diese Existenznot betrifft z. B. auch Altenheime – Insolvenzen sind trotz großer Nachfrage bei den alten Menschen keine Seltenheit. „Dabei sollten die Einrichtungen nicht im Preis-, sondern im Qualitätswettbewerb stehen“, hatte der DV.DAH-Sprecher Oswald Beuthert bei einem Politischen Werkstattgespräch „Pflege in Hessen“ gefordert, das ebenfalls im Jubiläumsjahr stattfand.
Pressemitteilung: “Wer bestellt muss auch bezahlen”